Segeltörn El Hierro, Begegnung mit dem Flüchtlingsdrama

Am 13.11.2023 öffnete sich unser Wetterfenster für einen Törn nach El Hierro. Mit einfach gerefftem Großsegel verließen wir den Vorhafen von Tazacorte. Hier erwartete uns zunächst eine unerwartet hohe Dünung.

Zu früher Morgenstunde wurden wir beobachtet
Dank an Gabriela für diese Bilder

Auf unserem Motor-Kurs Richtung Süden flachte diese später ab, bis wir südlich La Palma‘s dann auf die Winddüse und damit zusammenhängenden Seegang trafen. Wir liefen in spitzem Winkel auf diese Wind- u. Wellenschneise zu und konnten sie daher einige Minuten vorher ausmachen. Das 2. Reff war schnell eingebunden und die G3 nur halb ausgerollt.
Ehe wir uns versahen, hatten wir 2-3 m hohe Wellen um uns und der Wind hatte auf 22-28 kn zugelegt. Der scheinbare Wind kam etwas achterlicher als querab, also eigentlich sehr angenehm.

Das war die Vorhersage. . .
Da half nur konzentriertes Steuern. Kurz danach waren die Schwimmwesten angelegt . .
Blick zurück auf La Palma . .


Für die Kanaren war für diese Woche eine erhöhte Wärmeperiode angesagt mit schlechterer Fernsicht. Aber egal, es war schön in der warmen Sonne zu segeln und die Wasserspritzer, die Dörte abbekam trockneten auch schnell wieder. Im Laufe des Tages nahmen Wind und Wellen erwartungsgemäß etwas ab, sodass der Autopilot übernehmen konnte.

Entspanntes Segeln . .
Am späten Nachmittag war die Sicht auf El Hierro nur mäßig . .

Mit dem Erreichen El Hierro’s nahm der Wind soweit ab, das wir die Maschine zur Stabilisierung der Segel brauchten. Auf den letzten Seemeilen kam der Wind so stark zurück, das wir im geschützten Vorhafen von Estaca bei 22 kn Wind das Großsegel zunächst nur notdürftig zusammen banden. Im Schutz von Aussenmole und Hafengebäude fanden wir nach entsprechender Vorbereitung dann auch einen passenden Liegeplatz.

Letztes Bild an der Aussenmole von Estaca, bevor die Arbeit begann . .

In der Nacht war der Wind dann zeitweise weg. Im Hafen schwellte es so unangenehm, das wir nachts noch zusätzliche Fenderleinen ausbrachten. Dabei fiel uns die deutliche Zunahme der Außentemperatur auf. Von nun an hatten wir fast karibische Wärme.
Am nächsten Morgen haben wir mit dem reservierten Mietwagen eine kleine Inseltour unternommen.
Wir hatten uns eine kleine Rundwandertour ausgesucht. Start war an der Raya de la Llania und führte zunächst durch dichten Lorbeerwald. Bei den Temperaturen sehr angenehm.

In dem dichten Wald kamen die Sonnenstrahlen nicht so leicht durch . .

Später kamen wir dann noch zum größten Vulkankrater der Insel, dem Hoya de Fibra, und dem Mirador de la Llania, der einen schönen Blick ins El Golfotal bietet. Von dort trennten uns dann nur wenige Minuten vom Startpunkt und dem Auto.

Blick in den größten Krater von El Hierro. .
Das weite El Golfotal lag vor uns . .

Mit einem Abstecher nach Frontera und Einkäufen in Valverde fand diese Tour ihren Abschluss.
Der 2. Tag auf der Insel sollte uns nach Restinga, dem südlichsten Hafen der Kanaren führen. Hier gibt es am Hafen viele Restaurants und wir wollten mal wieder gut Fisch essen. Doch zuvor kamen wir kurz vor Restinga noch an einem vor wenigen Jahren erbauten Besucherinformationszentrum über Vulkanismus auf den Kanaren und besonders auf El Hierro vorbei. Sehr interessant waren die Bilder und Filme vom letzten Vulkanausbruch südlich von Restinga im Jahre 2011/2012. Prädikat Besuch wertvoll!

Der unterseeische Vulkan Tagoro war eines der Hauptthemen. .
Dampfende Vulkanlavabrocken , Restingoliten


Danach ging es weiter bergab nach Restinga. Der Rundgang im Ort brachte uns einem Thema näher, wie wir es in dieser Deutlichkeit nicht erwartet hätten. Es ist bekannt, dass hier immer mal wieder Flüchtlinge mit ihren offenen Fischerbooten ankamen. Doch nun mussten wir feststellen, im Hafen lagen mehr leere Flüchtlings- als Fischerboote ! Auf einer abgesperrten Hafenfläche wurden Boote aufgetrennt und mit einem Bagger auf LKWS verladen. Aber offensichtlich kamen neue Boote schneller an, als alte entsorgt wurden. Viele dieser Boote waren bunt bemalt, auf einem entdeckten wir sogar schwarz/rot/gelb am Heck. Ein anderes Boot wurde gerade von Männern in weißen Schutzanzügen und Maske ausgeräumt. Es stank bestialisch.

Ein Bagger zieht ein Wrack auf einen Tieflader, während die nächsten Boote bereits warten. .
In bestialischem Gestank wird ein Boot ausgeräumt. .


Auf der Mole mit der schönen seeseitigen Schutzmole sah man ein komplettes Empfangskomitee mit Erste Hilfe Zelt, Krankenwagen, Polizei, Seenotrettung usw.
Bald entdeckten wir einen Rettungskreuzer mit Flüchtlingsboot im Schlepp, Kurs Hafeneinfahrt.
Alles lief sehr professionell ab. Einige Helfer halfen beim Festbinden des Flüchtlingsbootes und dann dauerte es nicht lange, bis die Ersten das Boot verließen. An diesem Tag machten die Männer einen relativ fitten Eindruck. Die bereitstehenden Rollstühle wurden nicht gebraucht. Frauen und Kinder sahen wir auch nicht. Die Ankömmlinge bekamen eine rote Fleecedecke umgehängt und konnten sich im Schatten der Mauer auf den Boden kauern. Die ca 100 jungen Männer schienen in relativ guter Verfassung zu sein.

Die Seenotrettung hat ein Flüchtlingsboot im Schlepp. .
Der halbe Hafen liegt voll von Flüchtlingsbooten. .
Die letzten Meter fahren sie wieder allein. .
Gleich haben sie wieder festen Boden erreicht. .
In Decken gehüllt kauern sie an der Hafenmole. .


Nach 1 1/2 Stunden kamen mehrere Busse, es wurde eingestiegen und dann waren die Flüchtlinge 2 Stunden nach ihrer Ankunft wieder aus der Öffentlichkeit verschwunden.
Später haben wir uns mit dem Thema noch weiter beschäftigt, denn das was wir gesehen haben, machte uns doch schon sehr betroffen. Auf der einen Seite ist das für die Insel ein untragbarer Zustand, wenn in einem 3/4 Jahr mehr Flüchtlinge ankommen, als die Insel Einwohner hat. Die Spanier sammeln die Flüchtlinge rigoros ein und bringen sie auf das Festland. So sieht man als Tourist praktisch keine Afrikaner auf der Straße. Auf der anderen Seite müssen die Verhältnisse in den Heimatländern schon so hoffnungslos sein, dass die Menschen sich auf eine so gefährliche Fluchtroute über den Atlantik begeben.

Wer weitere Informationen zu dem Thema haben möchte mag hier weiter lesen: https://www.dw.com/de/migration-wie-die-kanaren-route-senegals-familien-zerreißt/a-67019562


Wir sind dann am Nachmittag zurück nach Estaca gefahren und haben noch ein Bad im klaren Wasser neben dem Hafen genommen, in der Hoffnung auf andere Gedanken zu kommen. . .


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